10 Jahre bildung evangelisch in Europa e.V.: Grußwort von Oberkirchenrat Detlev Bierbaum

10 Jahre bildung evangelisch in Europa e.V.


Grußwort ELKB – 10 Jahre beE

Vor zehn Jahren wurde in Erlangen ein kleiner Verein gegründet: bildung evangelisch in
Europa (beE). So klein der Verein, so groß das Vorhaben: bildung evangelisch in Europa hat
sich zum Ziel gesetzt, die Entwicklungen im europäischen Bildungsraum zu beobachten und
sie wissenschaftlich zu analysieren – vornehmlich aus evangelischer Perspektive und
verbunden mit kirchlichen Positionen. Worte mutigen Aufbruchs, Öffnung hoffnungsvoller
Perspektiven.
Das war vor zehn Jahren. Es war eine Zeit, als der Lissabonvertrag beraten und zum 1. Januar
2009 in Kraft trat. Es war eine Zeit, in der Europa durch Mauerfall und Osterweiterung
gewachsen war und man dieser größeren Gemeinschaft völkerrechtlich größere Bedeutung
geben wollte und musste. Es war eine Zeit, in der die Frage nach dem, was Europa
zusammenhält, positiv beantwortet wurde – wie es der Lissabonvertrag formuliert: „Die Werte,
auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie,
Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte
der Personen, die Minderheiten angehören.“
Es war eine Zeit des Wachstums und der Wertorientierung, eine Hochphase also der
europäischen Integration. In diese hoffnungsvolle Zeit hinein wurde der kleine Verein
gegründet und man spürt diese Hoffnung, wenn man die Satzung des Vereins liest: „Europa
wächst zusammen. Das gilt in herausragender Weise für den Bildungsbereich. Aus dem
europäischen Wirtschaftsraum entwickelt sich ein europäischer Bildungsraum. ‚Lebenslanges
Lernen ist der Schlüssel für die Gewährleistung von sozialer Integration und
Chancengleichheit‘ – so das Europäische Parlament.“ Ein gutes Projekt also, das gut in die
blühenden Europalandschaften passte.
Doch die Hoffnung wurde bald enttäuscht: Der Lissabonvertrag war kein großer Wurf mit
stärkerer Rechtsverbindlichkeit, er war kein Verfassungsvertrag für Europa. Dazu konnten die
Staaten Europas sich nicht finden, nationale Interessen schoben sich nach vorne. Auch die
Begeisterung für die Werte Europas, die im Vertrag beschworen werden, klang bereits leiser.
In Bayern war dies anders: Europa war für die Kirchen, für die ELKB wichtig. Schon 1991 auf
der Synode in Rosenheim stand Europa auf der Agenda. Es gab viele Aufbrüche, Ansätze,
Aktivitäten. Aber es fehlte eine Gesamtsicht, ein gut dirigiertes Konzert der Europakünstler.
Damit fehlte auf Dauer eine integrierende und motivierende Vision. Dies zeigte sich auch bei
der Gründung des Vereins. Ja, er wurde begrüßt – aber welche Rolle sollte er spielen innerhalb
der ELKB? Interessenkonflikte verschiedener Art prallten aufeinander und dennoch setzte sich
der Europaverein im Kontext der europäischen Bildungsarbeit durch. Die Verantwortlichen
haben durchgehalten, und das ist gut so.
Was ist dem Verein in dieser schwierigen Zeit gelungen? Mit geringen Mitteln fokussierte er
sich auf zentrale Themen, bearbeitete sie wissenschaftlich und verankerte sie kirchlich. Von
Bedeutung sind etwa die Publikationen „Philipp Melanchthon – Praeceptor Europae“ (2010),
„Rechtextremismus in Europa nach 1989. Eine Herausforderung für die Gesellschaft“ (2012)
oder die umfangreiche Studie „Erinnern, um Neues zu sagen. Europäische Gedächtniskulturen.
Evangelische Perspektiven“ (2011). Diese Publikationen sind, das ist eines der Hauptmerkmale
der Arbeit von beE, entstanden durch Gespräche, Vernetzungen und Verknüpfungen:

Wissenschaft mit Praxis von Gesellschaft und Kirche, Vertreter*innen von Kirche mit Gruppen
aus Politik und Gesellschaft, Menschen aus Ost- und Westeuropa.
Damit wurde beE zu einem Ort europäischer Begegnungen. Der Verein hat sich eingebracht in
die laufende Arbeit der ELKB und hat dort europäische Dimensionen eröffnet. Europäische
Begegnungen sind durch beE zu einem Bestandteil der Arbeit der Schulbeauftragten der ELKB
geworden, auf Studienreisen wurden evangelische Schulen besucht – in Ungarn, Rumänien
und in der Slowakei; es wurden Einblicke in die religiöse Bildungsarbeit in der Schweiz, in
Österreich in Frankreich ermöglicht. Der Verein hat sich eingebracht in die Arbeit der
Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), speziell in die Arbeit der
Südosteuropagruppe der GEKE, die im Landeskirchenamt München verantwortet und geleitet
wird. Hier hat der Verein mitgewirkt bei der großen Bildungsstudie „Bildung für Zukunft“, in
der evangelische Bildungsperspektiven dargestellt und weiterentwickelt werden. Diese Arbeit
war ein Gewinn für die Bildung in Bayern und die bayerische Bildungsarbeit wurde zu einem
Gewinn für diese Studie.
Wie sieht die andere Seite der Medaille aus - was ist nicht gelungen? Europa ist nicht das
geworden, was man sich vor zehn Jahren erhofft hatte. Vielmehr erodiert Europa: Der
Wirtschaftsraum zerfällt. Der Rechtsraum ist durchlöchert. Die Selbstverpflichtung zur
Demokratie beginnt zu bröckeln. Wenn Europa derzeit etwas eint, dann die Abwehr der
Flüchtlinge – ein Kontrast zur Präambel des Lissabonvertrags, in dem es heißt, dass Europa
„aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas schöpft“.
Umso wichtiger ist es da, dass es diesen Verein gibt. Er steht für ein offenes Europa, er steht
für eine evangelische Kirche, die sich über die Grenzen der Nationen und Konfessionen immer
wieder zu verständigen weiß. Der Verein ist eines dieser kleinen Hoffnungszeichen, das wir in
dieser schwierigen Zeit in und für Europa brauchen. Denn er steht für Bildung, das ist das
andere Wort für Integration.
Die Arbeit dafür ist nicht leichter geworden, die Aufgaben umso dringlicher.

Mit herzlichen Grüßen
Detlev Bierbaum
Oberkirchenrat